Lichtorgel, 2011
interaktive Lichtskulptur in der Kirche St. Matthäus, München
Halogenspots, Farbfilter, Lüftungsrohre, Edelstahl, Orgeltastatur, Holz lackiert, Schalter, Federn,
Kabel, Midi-Interface, Klavierhocker
300 x 280 x 100 cm, Orgelkorpus: 120 x 90 x 40 cm

Die Orgel der Kirche St. Matthäus wird renoviert und ist längere Zeit nicht bespielbar. Es gibt zwar einen elektronischen Ersatz, dennoch fehlen die Orgelpfeifen im visuellen Gesamtbild des Kirchenraumes. Eine Kirche ohne Orgel – was liegt näher, als temporär mit künstlerischen Mitteln für symbolischen Ersatz zu sorgen durch ein funktionales Instrument, das zwar keine Klänge erzeugt, stattdessen Lichtspiel:
Eine „Lichtorgel“, nicht wie man sie aus der 80er-Jahre-Disco kennt, sondern anknüpfend an die lange Tradition der Farborgel; eine Augenorgel, wie Georg Philipp Telemann 1739 das von dem französischen Jesuitenpater Louis-Bertrand Castel entwickelte Gerät beschreibt; ein Lichtinstrument, wie es bei Alexander Skrjabin zum Einsatz kommt, der 1910 eine eigene Luce-Stimme für seine sinfonische Dichtung „Promethée. Le Poème du feu (op.60)“ komponiert. Oder wie Alexander Wallace Rimington 1895 seine Motivation für den Bau einer Farborgel formuliert: „The keyboard is, in fact, a large palette from which we can paint with instantaneous effect upon the screen.“ (Rimington, Alexander Wallace: Colour Music. The Art of Mobile Colour. London, 1911)

Der Wunsch nach einer Farb-Klang-Synthese vereint Kunst, Musik und Technik und bringt zahlreiche Erfindungen und künstlerische Objekte hervor. Die Form der Lichtorgeln verändert sich mit den jeweiligen technischen Errungenschaften der Zeit. Im Multimediazeitalter werden die Lichtinstrumente von komplexeren Apparaten oder digitalen Techniken ersetzt und erscheinen technisch antiquiert. Das künstlerische Faszinosum dieser Ursprünge jedoch bleibt.
Das Remake einer frühen Lichtorgel soll an die Tradition der Künstler-Erfinder anknüpfen und als skulpturales sowie funktionales Objekt im Kirchenraum genutzt werden. Der Prototyp besteht aus einer Orgeltastatur und zwölf Lichtröhren. Die Tasten funktionieren wie Lichtschalter und erzeugen verschiedenfarbige Lichtstrahlen. Durch das Spiel von Akkorden, Melodien und Rhythmen wird der Raum von verschiedenen Farbklängen beleuchtet. Der Betrachter ist eingeladen, selbst in die Tasten zu greifen und die stille Visualisierung der Farben und Rhythmen im Raum zu beobachten. Durch ein Midi-Interface wurde die Lichtorgel außerdem mit der elektronischen Kirchenorgel verbunden, so dass das Licht automatisiert mit dem oberen Manual gespielt werden konnte.
Das Lichtinstrument wurde der Matthäuskirche für den Zeitraum der Ausstellung zur freien Verwendung im Kirchenbetrieb überlassen und in die Veranstaltungen der Kirchengemeinde sowie die Gottesdienste eingebunden werden. Darüber hinaus gab es spezielle Musikveranstaltungen, bei denen der Organist Armin Becker Musik und Farbklang zu einer eindrucksvollen Synthese vereinte.
„Meine Herren Musiker, meine Herren Maler: ihr werdet durch die Ohren sehen und mit den Augen hören und ihr werdet den Verstand dabei verlieren! “ ( Hausmann, Raoul: Die überzüchteten Künste. Die neuen Elemente der Malerei und Musik. 1931, in: ders., Sieg Triumph Tabak mit Bohnen. Texte bis 1933, Band 2, Hrsg.: Michael Erlhoff, 1982)

Fotos: Leonie Felle
Beate Engl
Beate Engl